Mittwoch, 13. Februar 2013

Krankentötungen aus falschem Mitleid


Aus: Gehirn und Geist, März 2013


Heidelberg. Immer wieder kommen Fälle ans Licht, in denen Krankenschwestern oder Pfleger serienweise Patienten töteten. Die Täter treibt meist eine Mischung aus Überforderung oder Selbstmitleid zu den Verbrechen.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden weltweit mehrere dutzend Krankenschwestern und Pfleger wegen Totschlags verurteilt. Sie hatten nachweislich hunderte Patienten und Heimbewohner getötet, berichtet das Magazin "Gehirn und Geist" in seiner aktuellen Ausgabe (Heft 3/2013). Die Zahl der vermuteten, aber nicht bewiesenen Delikte geht in die Tausende.

Der Psychiater Karl H. Beine wertete die Daten zu allen Tötungsserien in Kliniken und Heimen aus, die im deutschen Sprachraum seit den 1970er Jahren aufgedeckt worden waren. Dabei stellte er fest, dass sämtliche Täter aus der pflegerischen Berufsgruppe kamen und durchweg an großer Selbstunsicherheit litten. An den meisten Tatorten gab es zudem schwere Konflikte in der Belegschaft, die allerdings verschleppt wurden. Rückmeldungen oder Kritik seitens Vorgesetzten blieben häufig aus, und die Täter konnten weitgehend unkontrolliert agieren.

Das wichtigste Tatmotiv sieht Beine in einem "verschobenen Selbstmitleid". Die Täter hätten kaum mehr unterscheiden können zwischen dem eigenem Befinden und dem der Patienten. In Krisensituationen könne das dazu führen, dass der Täter sein eigenes Missempfinden auf die Opfer projiziere, bis er deren Dasein als nicht mehr lebenswert erachte. Bis zur realen Tat sei es dann nur noch ein kleiner Schritt.

Beine mahnt einen respektvollen Umgang mit alten, kranken Menschen und ihren Betreuern an. Seiner Ansicht nach sollten Beschäftigte in Gesundheitseinrichtungen einander vertrauen, aber auch verdächtige Handlungen frühzeitig melden. Vorgesetzte sollten ihre Mitarbeiter auf Fehlverhalten ansprechen und nicht nach dem Motto verfahren: »So etwas kommt bei uns nicht vor.« So ließe sich das Risiko vermindern, dass Helfer zu Täter werden.