Mittwoch, 13. Februar 2013

Stottern: Möglichst früh mit der Therapie beginnen


Aus: Gehirn und Geist, März 2013


Heidelberg. In neun von zehn Fällen tritt Stottern erstmals vor dem sechsten Lebensjahr auf. Dann ist es wichtig, das Problem schnell und wirksam anzugehen – denn je jünger das Kind, desto besser kann es die Störung bewältigen.

Rund fünf Prozent aller Kinder beginnen ohne erkennbare Ursache zu stottern. Ihren Eltern wird dann oftmals geraten, erst einmal abzuwarten. Das ist jedoch falsch, erklären Stotterexperten in der aktuellen Ausgabe von "Gehirn und Geist" (Heft 3/2013). Je früher das Kind mit einer wirksamen Therapie beginnt, desto größer sind die Heilungschancen. Doch welche Methoden gibt es überhaupt und wie funktionieren sie?

Niemand hat "Schuld" daran, wenn der Redefluss eines Kindes ins Stocken gerät. Weder die Erziehung, noch die Art der sprachlichen Anregungen in der Familie scheinen das Auftreten der Störung zu beeinflussen. Die betroffenen Kinder sind auch nicht etwa von Natur aus gehemmt oder ängstlich veranlagt. Oft sind sie verunsichert, weil sie selbst unter ihrem Stottern leiden. Noch schlimmer wird es, wenn andere unangemessen reagieren: Eltern sollten keinen Druck ausüben oder das Kind drängen, sich besser zu konzentrieren. Ungünstig ist es auch, die angefangenen Sätze des Kindes selbst zu beenden oder das Stottern gar nicht zu thematisieren: Schon kleine Kinder bekommen schnell den Eindruck, dass mit ihnen "etwas nicht stimmt". Wird das Problem tabuisiert, glauben sie, sie müssten sich für das Stottern schämen.

Laut Forschern liegen die Ursachen der Störung in Veränderungen im Gehirn, die wohl vorwiegend genetisch bedingt sind. In Studien mittels bildgebender Verfahren fanden sich schon bei Kindern hirnanatomische Besonderheiten, die sie offenbar anfällig für das Stottern machen. Mit Hilfe einer geeigneten Therapie überwinden laut der Phoniaterin Katrin Neumann von der Universität Bochum mehr als 90 Prozent der betroffenen Kinder die Störung. Experten vermuten, dass durch eine erfolgreiche Behandlung nicht nur die Hirnaktivität normalisiert, sondern auch die feste "Verdrahtung" der Sprechstörung im kindlichen Gehirn verhindert wird.
Die passende Therapie zu finden, ist allerdings nicht einfach: Das Angebot ist riesig, die Wirksamkeit selten wissenschaftlich belegt. Nur wenige Techniken können derzeit als verlässlich bezeichnet werden. Dazu zählen das so genannte Fluency Shaping, die Stottermodifikation sowie das Lidcombe-Programm aus Australien. Beim Fluency Shaping erlernen die Betroffenen eine neue, gebundene Sprechweise, bei der sie nachweislich weniger stottern. Eine spezielle Software unterstützt die Kinder zu Hause beim Üben.

Die Stottermodifikation zielt dagegen zunächst darauf, die Angst vor dem Stottern abzubauen. Das lindert die Symptome und hilft, die gefürchteten Sprechblockaden zu verhindern. Beim Lidcombe-Programm wiederum handelt es sich um ein verhaltenstherapeutisches Training. Die Eltern üben jeden Tag zu Hause mit ihrem Kind, etwa beim "Memory"-Spielen. Ausgiebiges Loben hilft, das flüssige Sprechen im Gehirn zu verankern.