In Deutschland macht sich Impfmüdigkeit breit. Eine gefährliche Entwicklung, denn Impfung ist noch immer der beste Schutz gegen viele gefährliche Viruserkrankungen - bei Kindern und auch bei Erwachsenen.
Regensburg (obx-medizindirekt) - Nebenwirkungen bei Arzneimitteln nehmen die Menschen in der Regel als notwendiges Übel in Kauf. Bei Impfungen aber ist die Angst vor Gesundheitsschäden groß, trotz des geringen Risikos. Die Impfmüdigkeit nimmt zu. Eine Entwicklung, die Gesundheitsexperten und Ärzten Sorgen macht. Denn nur eine hohe Impfquote in der Bevölkerung sorgt für ausreichenden Schutz etwa gegen Krankheitswellen.
Eine der gefährlichsten Fehleinschätzungen von Eltern: Kinder sollten "Kinderkrankheiten" durchmachen, damit das Immunsystem trainiert wird. Durch Impfungen werde der Natur ins Handwerk "gepfuscht". Dabei werden gerade durch die Impfung die Abwehrkräfte ohne die Gefahr einer tatsächlichen Erkrankung aktiviert. Das Immunsystem der Kinder hat sowieso Gelegenheit genug, sich mit Infektionen auseinanderzusetzen, denn geimpft wird nur gegen eine kleine Anzahl besonders folgenschwerer Erkrankungen.
Viele Erwachsene glauben auch, dass die Masernerkrankung eines Kindes kein Problem sei, weil sie selbst als Kind die Krankheit ohne Komplikation überstanden. Das ist ein unverantwortliches Spiel mit der Gesundheit der Kinder, wie ein Beispiel aus Holland beweist. In einer Glaubensgemeinschaft, die Impfungen ablehnt, erkrankten 1999 innerhalb eines halben Jahres 3000 Personen, vorwiegend Kinder, an Masern. Bei 17 Prozent der Betroffenen gab es Komplikation, bei 4 Prozent kam es zu einer Lungenentzündung. 2,3 Prozent der Erkrankten mussten in einer Klinik behandelt werden, davon 0,2 Prozent mit Hirnhautentzündung. Zwei Kinder und ein Jugendlicher starben schließlich an den Folgen der Masern.
Gefährlich können "Kinderkrankheiten" aber auch für ungeimpfte Erwachsene werden. Bei Kinderlähmung, Diphtherie, Masern, Röteln (bei schwangeren Frauen) oder Mumps besteht die Gefahr schwerer Komplikationen. Medikamente helfen wenig. Denn Antibiotika wirken nur gegen bakterielle Infekte. Viele schwere Kinderkrankheiten werden aber durch Viren verursacht. Bei Erkrankung an Wundstarrkrampf etwa stirbt deshalb auch heute noch jeder vierte aller Tetanus-Infizierten.
Immer wieder machen Gegner Impfungen für eine ganze Reihe von Erkrankungen verantwortlich, wie z.B. Autismus, Multiple Sklerose oder Diabetes. Heute kann man auf Grund umfassender Untersuchungen aber sicher sein, dass die Keuchhusten-Impfung weder zum "plötzlichen Kindstod" führt noch bleibende Hirnschäden verursacht. Die Hepatitis-B-Impfung ist auch nicht Ursache für die Multiple Sklerose. Masernimpfungen führen nicht zu Autismus und Impfungen gegen Hirnhautentzündungen nicht zu Diabetes. Auch der Anstieg von Allergien kann nicht den Impfungen angelastet werden. Natürlich gibt es auch Situationen, in denen nicht und nur unter sorgfältiger Abwägung von Nutzen und Risiken geimpft werden sollte: Hierzu gehört die Phase einer akuten Erkrankung, das Auftreten von allergischen Reaktionen bei früheren Impfungen oder das Vorliegen einer Immunschwäche.
Arzneimittel und Impfung: Wie hoch ist das Restrisiko?
In Deutschland gibt es pro Jahr laut Hochrechnungen und Schätzungen 16.000 bis 25.000 Todesfälle bedingt durch Arzneimittel und darüber hinaus bis zu 300.000 Krankenhausbehandlungen wegen schwerer, unerwünschter (Neben-)Wirkungen von Medikamenten. Etwa die Hälfte dieser Todes- und Erkrankungsfälle ließen sich allerdings vermeiden, wenn die Wechselwirkung gleichzeitig verabreichter Medikamente besser beachtet sowie das Alter und Geschlecht der Patienten berücksichtig würde, sagen Arzneimittelexperten. So werde bei älteren Patienten oft zu hoch und zu lange und mit den falschen Arzneimitteln behandelt.
Bei Impfungen liegt das Risiko eines Gesundheitsschadens im Durchschnitt bei unter 1 pro 100.000 Impfungen. Das Risiko von Folgeschäden bei einer tatsächlichen Erkrankung ist um ein Vielfaches höher. Bei Impfung gegen Masern kann es in seltensten Fällen (ein Mal auf eine Million) zu einer Hirnhautentzündung kommen, 200 bis 400 Mal seltener als nach einer natürlichen Erkrankung. Bei einer Kombinationsimpfung gegen Diphtherie, Wundstarrkrampf und Keuchhusten kommt dies ein Mal bei über einer Million, bei Hepatitis einmal pro 600.000 Impfungen vor. Seit Verwendung von Impfstoffen mit abgetöteten Erregern sind bei Kinderlähmungsimpfungen keine Komplikationen mehr bekannt. Auch die Angst wegen quecksilberhaltiger Verbindungen in den Impfstoffen (z.B. vor Thiomersal) ist heute weitgehend unbegründet. Auch bei 4-fach Impfstoffen gibt es heute bereits quecksilberfreie Alternativen.