Montag, 10. Juni 2013

Verödung und Überalterung gefährden die Gesundheitsversorgung

Apotheker wollen mehr Verantwortung übernehmen und fordern regionale Lösungen


Hannover (apothekerkammer) – In einem Grußwort auf dem Niedersächsischen Apothekertag in Wolfsburg (8. bis 9. Juni 2013) zeigte die niedersächsische Sozial- und Gesundheitsministerin Cornelia Rundt viel Verständnis für die Arbeit der Apotheker, denn sie stünden direkt an der Basis der Gesundheitsfürsorge. Die Ministerin dankte den Apothekern ausdrücklich für ihre Arbeit. „Sie machen das nicht nur wegen der rechtlichen Verpflichtungen, sondern mit großem Engagement und das unter durchaus schwierigen Rahmenbedingungen.“ Gerade bei den Apothekern käme der Unmut der Patienten an, denen sie in ihren Gesprächen das oftmals diffuse Gesundheitssystem vermitteln müssten. Diese Gespräche seien ein wichtiger Beitrag zur Gesundheitsbildung. Großes Interesse zeigt die Ministerin an der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung angesichts des demografischen Wandels. Ihre Einschätzung: „Was die Versorgungssicherheit angeht, tickt auf dem Land die Uhr!“

Die demografische Entwicklung war auch das Leitthema auf dem Niedersächsischen Apothekertag. Der Experte Dr. Harald Michel, Leiter des Instituts für angewandte Demographie in Berlin, stellte klar, dass die Bevölkerung seit 40 Jahren schrumpfe. Gleichzeitig käme es zu einer massiven Überalterung der Gesellschaft. „Der Prozess der Schrumpfung lässt sich nicht beeinflussen. Selbst wenn jede Frau in den nächsten Jahren drei bis vier Kinder bekäme, ändert das nichts an den Bevölkerungszahlen“ Es gebe keine fertigen Rezepte für den Umgang mit den demografischen Veränderungen. Länder und Kommunen müssten eigene regionale Lösungen entwickeln.

„Die Apotheker bemühen sich, die Menschen in den dünn besiedelten Gebieten nicht zurückzulassen“, sagte die Präsidentin der niedersächsischen Apothekerkammer Magdalene Linz. Weil für alle Menschen ein niedrigschwelliges Versorgungsangebot gewährleistet sein müsse, wollen die Apotheker die erforderlichen Konzepte mitgestalten. Heinz-Günter Wolf, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen e.V., unterstrich die Bedeutung der flächendeckenden Versorgung: „Die Menschen haben einen Anspruch auf ihre Apotheke in „Puschen-Nähe“. Für viele Menschen ist die Apotheke erste Anlaufstelle, um Hilfe bei medizinischen, sozialen oder pflegerischen Fragen zu erhalten. Dort, wo der Patient nicht mehr in die Apotheke kommen kann, brauchen wir flexible Lösungen, damit der Apotheker zum Patienten kommt.“

Auf dem Niedersächsischen Apothekertag appellierten die beiden Standesvertreter daher an die Politik: „Die demografischen Herausforderungen können die Gesundheitsberufe nur gemeinsam meistern. Wir müssen weg vom sektoralen Denken. Alle Beteiligten müssen sich zusammensetzen, um möglichst schnell und unbürokratisch Vorschläge zu erarbeiten, wie die alternde Bevölkerung auch in Zukunft gut versorgt werden kann. Dies gelingt uns nur, indem wir verstärkt mit Ärzten, Pflegekräften und Therapeuten zusammenarbeiten.“

Magdalene Linz und Heinz-Günter Wolf betonten, dass angesichts des demografischen Wandels die Zahl der chronisch kranken und multimorbiden Menschen weiter steigen werde. Weil im Alter die durchschnittliche Anzahl der Medikamente und damit der Beratungsbedarf deutlich zunehmen, bedarf es für die Betreuung dieser Patienten spezialisierter Dienstleistungen. Dafür werde auch mehr pharmazeutisches Personal benötigt. „Wir Apotheker sind schon jetzt ein wichtiger Teil des regionalen Netzwerkes. Doch wir brauchen mehr Approbierte.“ Dafür müsse die Attraktivität der Berufsausübung erhöht werden. Sonst sei es schwierig, junge Leute für diesen Beruf zu gewinnen.

Ministerin Rundt unterstützte die Apotheker in ihrer Forderung: „Ohne wirtschaftliche Grundlage ist eine flächendeckende Versorgung in einem sehr ländlich geprägten Raum wie Niedersachsen nicht zu gewährleisten. Ich bin auf jeden Fall an ihrer Seite, wenn es heißt, auch Apotheken im ländlichen Raum so auszustatten, dass sie wirtschaftlich betrieben werden können.“
Zum Niedersächsischen Apothekertag kamen über 400 Apotheker und pharmazeutisch-technische Assistenten nach Wolfsburg.