Donnerstag, 5. Dezember 2013

Bessere Berufschancen für Mittelschüler


Nürnberg/Regensburg (obx) - 2010 wurden aus den Hauptschulen Mittelschulen. Sie sollten Jugendlichen bessere Chancen für den Start in die Zukunft eröffnen. Doch Mittelschüler haben es oft nicht leicht. "Mittelschüler haben keine Lobby. Anders als Gymnasiasten oder Studenten müssen sie - neben der ohnehin schon schwierigen Lehrstellensuche - hart um ihre gesellschaftliche Anerkennung kämpfen", sagt Erich Schuster. Der Unternehmer, der seine berufliche Karriere auch als Hauptschüler begann, hat seine Firma defaxto.x, heute Europas Marktführer im Dialogmarketing - inhabergeführt, aufgebaut. In der Metropolregion Nürnberg hat Erich Schuster deshalb über seine defacto.x-stiftung Mitte des letzten Jahrzehnts das Projekt "Schüler-Power" gegründet. 500 Schüler haben davon bereits profitiert. 90 Prozent aller jungen Teilnehmer am Projekt "Schüler-Power" fanden nach dem Mittelschulabschluss eine Lehrstelle. "Ein Modell für Bayern und für ganz Deutschland", sagt Erich Schuster.

149 Mittelschulen in Bayern und 42 Mittelschulen in Ostbayern sind in ihrem Bestand gefährdet. Auch weil Eltern und Kinder, trotz der Neustrukturierung und Umbenennung der Hauptschulen in Mittelschulen, im Besuch von Realschule oder Gymnasium noch immer den erstrebenswerteren Bildungsweg sehen. 

Mittelschüler haben im aktuellen Schulszenario - wie wissenschaftliche Untersuchungen immer wieder bestätigen - den schwersten Stand. Sie leiden am stärksten unter gesellschaftlichen Fehlentwicklungen. "Der Bedeutungsverlust traditioneller Werte geht einher mit dem Mangel an konkreten Zielen und Perspektiven", sagt Erich Schuster. Und er sieht darin auch die Antwort auf die Frage, warum er das Projekt "Schüler-Power" ins Leben gerufen hat: "Ich bin der festen Überzeugung, dass in unseren Mittelschülerinnen und Mittelschülern enorme Potenziale schlummern."

Im Rahmen von "Schüler-Power" werden jeweils maximal 50 Jugendlichen von sechs Trainern in acht Wochenend-Workshops Wissen, Fähigkeiten und Perspektiven für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben vermittelt - dazu Kompetenz in Grundwerten, wie Kommunikationsfähigkeit, Verantwortung und Toleranz, aber auch berufs- und betriebskundliche Kenntnisse, die bei einer Bewerbung nützen.

Der den Teilnehmern in Aussicht stehende Ausbildungsplatz ist der wesentliche Faktor, damit die Schülerinnen und Schüler am Schüler-Power-Programm teilnehmen und an den acht Wochenenden ihre Freizeit für das Projekt opfern. Eine Zukunftsinvestition, die sich für die meisten lohnt. Neun von zehn Jugendlichen, die in das seit 2007 ursprünglich unter dem Namen "Hauptschul-Power" gestartete Pilotprogramm einstiegen, fanden anschließend auch tatsächlich eine Lehrstelle oder besuchen eine weiterführende Schule.

Denn auch die Unternehmen haben den Wert des Programms erkannt. "Die Praxis zeigt, dass der qualifizierende Mittelschulabschluss eine gute Voraussetzung für die Berufsausbildung darstellt", sagt Erich Schuster.

Seit Mai 2009 bietet die defacto.x-sitftung mit dem "Schüler-Power"-Coaching-Programm, mitentwickelt von der Firma adidas, eine dem Einstiegs-Coaching nachgelagerte Betreuung an. Zweieinhalb Jahre werden die Projekt-Absolventen dann durch einen persönlichen Coach begleitend zu ihrer Berufsausbildung betreut. "Vorrangiges Ziel dieses Coachings ist es, frühzeitigen Lehrstellenabbrüchen, die sich zumeist innerhalb des ersten Ausbildungsjahres ergeben, gezielt entgegenzuwirken", sagt Schuster, dessen Stiftung in jeden der jugendlichen Teilnehmer rund 3800 Euro investiert. Die Stiftung ist deshalb ständig auf Sponsorensuche in der Wirtschaft.

100 Unternehmen unterstützen heute in der Metropolregion Nürnberg, die weit in die nördliche Oberpfalz reicht, das Projekt mit der Bereitstellung von Lehr- und Praktikumsstellen. Weltkonzerne wie adidas, Mercedes-Benz, Siemens, REWE oder Globus öffnen den Teilnehmern ihre Türen, um sie in den Berufsalltag schnuppern zu lassen.

Für die Zukunft hat Erich Schuster eine große Vision: Das "Schüler-Power"-Programm soll nicht auf die Metropolregion Nürnberg beschränkt bleiben, sondern auf ganz Bayern und später auch ganz Deutschland ausgedehnt werden. Die Stiftung hat deshalb Franchise-Pakete entwickelt und vergibt bei Interesse kostenlose Schüler-Power-Lizenzen an öffentliche Träger oder auch Wirtschaftsunternehmen. "In Frage kommen zum Beispiel, Stiftungen, Kommunen, Städte, Soziale Einrichtungen und Unternehmen", sagt Schuster.

Der Erfolg des Programms ist wissenschaftlich belegt. So wurde das "Schüler-Power"-Projekt vom Lehrstuhl für Psychologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Universität Bamberg mit wissenschaftlichen Arbeiten begleitet. Die Untersuchung ergab: 96 Prozent der Beteiligten sind zufrieden mit dem Programm, 94 Prozent waren und sind nach den gemachten Erfahrungen überdies überzeugt, dass die Teilnahme am "Schüler-Power"-Programm Mittelschülern auf dem Weg ins Berufsleben wirkungsvoll und erfolgreich weiterhilft.