Donnerstag, 5. Dezember 2013

Zum Lernen ist man nie zu alt

Man sollte alle Sinne fit halten, damit der Geist auch noch im Alter stark und beweglich bleibt.

Regensburg (obx-medizindirekt) - Wir können uns auch noch mit 100 Jahren eine neue Sprache aneignen", sagt Prof. Ernst Pöppel von der Universität München. "Das Gehirn noch mal herauszufordern, dafür ist es nie zu spät." Er muss es wissen. Denn er ist Hirnforscher und hat sich schwerpunktmäßig auf das Thema "Lernen für Senioren" verlegt.

Wenn er Recht hat, ist nachlassendes Gedächtnis im Alter nur eine Frage des fehlenden Trainings. Aber das sollte etwas anders aussehen als die Lernmethode von Schulkindern. In der Kindheit lernt sich, wie viele Beispiele zeigen, eine neue Sprache nahezu spielerisch, ganz nebenbei. Nicht so im Alter. Da fehlt es eben an der schnellen geistigen Reaktionszeit, die nämlich schon vom 20. Lebensjahr an nachlässt. Dafür haben ältere Menschen den Kindern beim Lernen einiges voraus: Sie verlieren nicht so schnell die Lust am Lernen und sie lassen sich auch nicht ständig von Nebensächlichkeiten ablenken. Dafür müssen sie mehr Ausdauer investieren und etwas länger "pauken", um sich durch entsprechend häufige Wiederholungen neue Begriffe einzuprägen.

Ein Test an der Universität Dortmund hat gezeigt, dass im Vergleich zu jungen Menschen die älteren selbstkritischer denken und nachhaltiger aus gemachten Fehlern lernen.

Jogging für die grauen Zellen

Es stimmt zwar: Im Alter schrumpft das Gehirn um etwa sechs Prozent des früheren Volumens. Aber das ist unerheblich, denn selbst geistig sehr aktive Menschen schöpfen nur die Hälfte ihrer Gehirnkapazität aus. Im Alter verlieren die Menschen auch an geistiger Schnelligkeit - das kompensieren sie wiederum vollkommen durch zähe Ausdauer und Konzentrationsvermögen.

Damit das auch so bleibt und das Gehirn nicht abbaut, sollte der Mensch sein Gehirn also ständig in Übung halten. Auch hier gilt: Wer rastet, der rostet. "Das Gehirn ist vergleichbar mit einem Muskel", sagt Prof. Pöppel. "Je besser es trainiert ist, desto besser klappt die Sache und umso schneller wird der Geist - das gilt für jedes Alter." Der wichtigste Grundsatz, um geistig fit zu bleiben, heißt: Sagen Sie niemals: "Dafür bin ich zu alt!" Sie müssen neugierig bleiben und sich selbst etwas zutrauen. Erhalten Sie sich die Begeisterungsfähigkeit, dann lernen Sie auch nahezu mühelos. Und, vor allem, halten Sie alle Ihre Sinne aktiv: Hören, Sehen, Fühlen, Riechen, Schmecken. Die Verbindung all dieser Aktivitäten fördert neue Verknüpfungen der Gehirnzellen, die für Ihre geistige Hochform entscheidend sind.

Richtige Ernährung hilft denken

Birgit Wosnitza ist eine der Trainerinnen der Ebersberger "Gesellschaft für Gehirnjogging". Sie sagt: "Wer etwas hört, kann rund 20 Prozent des Inhaltes wiedergeben. Wer es sieht, behält 30 Prozent. Beides zusammen aber bewirkt, dass Sie 50 Prozent des Inhaltes behalten. Wer außerdem über das Gehörte oder Gesehene diskutiert, kann anschließend bis zu 70 Prozent wiedergeben. Am besten ist es jedoch, zusätzlich das Gehörte umzusetzen, es also beispielsweise mitzuschreiben. So können 90 Prozent des Inhaltes gespeichert werden."

Das alles aber nützt nur bedingt, wenn der Denkapparat nicht optimal mit Treibstoff versorgt wird: Die richtige Ernährung ist demnach enorm wichtig. Ein fitter Geist braucht leichte, an Vitaminen und Mineralstoffen, also an pflanzlichen Kohlenhydraten reiche Kost, die auf viele kleinere Mahlzeiten am Tag verteilt werden sollte. Ganz besonders wichtig: ausreichend trinken. Zwei Liter Wasser, Fruchtsaftschorlen oder Mineralwasser am Tag sind der richtige Sprit für Ihr Gehirn.

Da im Alter das Durstempfinden nachlässt, sollten Sie am besten nach einem festen Zeitplan trinken. Allerdings: bei Patienten, die unter Herzinsuffizienz leiden, sollte die Trinkmenge deutlich niedriger sein. Fragen Sie Ihren Arzt oder Ärztin.

Nach einem Bericht der Universität Münster wurde nachgewiesen, dass durch geistige Beanspruchung die für Alzheimer typischen Eiweißablagerungen im Gehirn verringert vorkommen. Gleichzeitig werden neue Gehirnzellen und deren Verknüpfungen gebildet. Diese Erkenntnis steht im Gegensatz zu früheren Auffassungen, im Alter könnten keine neuen Gehirnzellen mehr entstehen.

Die medizindirekt-Empfehlung "So bleiben Sie geistig fit":

- Lesen Sie jeden Tag. Wählen Sie auch mal einen schwierigen Zeitungsartikel oder ein Sachbuch über ein Thema, das Sie besonders interessiert, von dem Sie aber glauben, dass es über Ihren Horizont geht.

- Schreiben Sie: E-Mails, Briefe oder Ihre Lebenserinnerungen, und sei es für die Schublade. Das hält Ihr bildhaftes Gedächtnis in Form.

- Hören Sie zu. Besuchen Sie interessante Vorträge, genießen Sie Hörbücher. Das beansprucht ganz andere Gehirnzellen als das Lesen.

- Sprechen Sie mit Menschen, rufen Sie alte Bekannte oder Verwandte an. Unterhalten Sie sich mit Kindern und Enkeln, mit Nachbarn und Bekannten.

- Trainieren Sie Ihr Gedächtnis, indem Sie aus den Buchstaben eines Wortes wie z. B. Bauchfleisch neue Wörter bilden: Buch, Bach, Seil, Beil, Schelf, Schub etc. Oder versuchen Sie, das Alphabet einmal rückwärts aufzusagen.

- Verschaffen Sie sich körperliche Bewegung. Das steigert die Durchblutung und die Sauerstoffversorgung des Gehirns, und es steigert auch die Denkfähigkeit.

- Fingerübungen wie beim Schreiben am Computer, beim Klavierspielen oder beim Stricken und Häkeln halten ebenfalls wichtige Teile des Gehirns in Form.

- Versuchen Sie, sich an den Fernsehfilm vom vergangenen Abend zu erinnern. Bringen Sie die Handlung noch zusammen? Sie können sich auch gemeinsam mit Ihrem Partner die Sendung in Erinnerung rufen. Alles, was noch einmal im Gehirn verarbeitet wird, stärkt die Denkfähigkeit.