Dienstag, 3. Dezember 2013

Energiewende mit heißem Wasser

Milliarden von Euros fließen in den Ausbau der Solar- und Windenergie. In Ostbayern wird bereits seit Jahrzehnten Europas größter unterirdischer Thermalwassersee als regenerative Energiequelle genutzt - und damit die Umwelt von vielen 100.000 Tonnen Kohlendioxid entlastet.

Regensburg/Bad Füssing/Simbach am Inn (obx) - Diese Energiequelle ist umweltfreundlicher als viele 1000 Quadratmeder Solarzellen und viele 100 Windkraftwerke: Ostbayern liegt auf einem Energieschatz, dessen Wert im Zeitalter steigender Öl- und Gaspreise kaum hoch genug einzuschätzen ist - einem 5900 Quadratkilometer großen unterirdischen Thermalwassersee. Von Regensburg bis Linz und in Ausläufern bis nach Baden-Württemberg erstreckt sich dieser aus einem dichten Netzwerk von erhitzen Wasserströmen bestehende natürliche "Heißwasserboiler", der seit vielen Jahrzehnten zur Energiegewinnung genutzt wird. Das Energiepotential ist erst zu einem Bruchteil genutzt.

Rund 155 Kilometer breit und zwischen 30 und 50 Kilometer lang ist die unterirdische und unerschöpflichen "Energieblase". Mit unterschiedlichsten Projekten sind Deutschland und auch Österreich dabei, das Riesen-Energiereservoir jetzt verstärkt zu nutzen. Der von beiden Ländern unterzeichnete "Regensburger Vertrag" soll sicherstellen, dass die Kraft aus der Tiefe koordiniert und naturverträglich angezapft wird.

Kurios: Was heute und in Zukunft Millionen Liter Erdöl ersetzt, wurde ursprünglich bei der - vergeblichen - Suche nach bayerischen Ölquellen entdeckt: Vor 65 Jahren sondierten Bohrtrupps im Rottal den Untergrund, um Erdöl zu finden. Sie stießen bei der Bohrung stattdessen auf heißes Thermalwasser mit legendärer Heilwirkung bei Rücken- und Gelenkproblemen.

Dieses Wasser war zunächst der Motor für die Geburt und die Expansion von Bad Füssing, heute Europas übernachtungsstärkster Kurort. Es entstanden in den Folgejahren die anderen Kurorte im Bayerischen Golf- und Thermenland: Bad Griesbach, Bad Birnbach, Bad Abbach und auch Bad Gögging. Heute ist das Bayerische Golf- und Thermenland mit mehr als fünf Millionen Übernachtungen die führende Wellness- und Heilbäder-Region in Europa.

Der Thermalsee als Energiequelle wurde aber erst Jahrzehnte später entdeckt. An der Grenze zu Österreich beispielsweise entstand ein in dieser Dimension auf dem Kontinent einmaliges Projekt zur Geo-Energie-Nutzung: Die bayerische Grenzstadt Simbach und Braunau jenseits der österreichischen Grenze heizen heute gemeinsam mit umweltfreundlicher Erdwärme aus 1900 Metern Tiefe - Krankenhäuser und eine Reihe von privaten Wohngebieten bekommen CO2-freie Heiz-Energie aus dem ostbayerischen "Thermalwasser-Strom".

Über eine Förderbohrung wird das Thermalwasser mit einer Temperatur von 80 °C und einem Volumenstrom von 266 Kubikmeter pro Stunde gefördert. Die Wärme des Thermalwassers wird dann zu Heizzwecken "abgeschöpft" und das Wasser durch die Reinjektionsbohrung wieder in den Untergrund gepumpt. Das System bringt eine Leistung von sieben Megawatt. Das angeschlossene Fernwärmenetz hat eine Länge von 35 km und versorgt 750 Gebäude mit insgesamt etwa 5000 bis 6000 Haushalten.

Für die Umwelt ist das bayerisch-österreichische Geo-Energie-Projekt ein Gewinn: verglichen mit konventioneller Wärmerzeugung werden der Umwelt durch die Nutzung des 80 Grad heißen Wassers dank der unerschöpflichen Energie aus der Tiefe jährlich 16000 Tonnen Kohlendioxidbelastung erspart. Nach Berechnungen des Klima-Bündnisses entspricht die Leistung der Geothermie-Heizquelle dem Energiegehalt von acht Millionen Liter Erdöl.

An neun Standorten in Bayern werden über die hydrothermale Geothermie bereits Nah- und Fernwärmenetze bedient.  Auch die Stadt Straubing hat den Heißwassersee mittlerweile angezapft. Vier Megawatt-Wärme liefern die beiden Thermalquellen via Wärmetauscher ins kommunale Fernwärmenetz. Nicht nur Rathaus, Museum, Stadthalle, ein Schwimmbad, sondern ganz neu auch Wohnsiedlungen werden so mit Wärme versorgt.