Donnerstag, 5. Dezember 2013

Was tun bei Lieferengpässen der Medikamente?

Apotheker fordern mehr Sicherheit für Patienten

Hannover (apothekerkammer-niedersachsen) – Viele Patienten sind es inzwischen gewohnt, dass ihr Arzneimittel aufgrund von Rabattverträgen ausgetauscht werden muss. Neuerdings zeichnet sich jedoch ein weit dramatischeres Problem ab: Lieferengpässe. Immer häufiger können Apotheker Arzneimittel aufgrund von Lieferschwierigkeiten der Hersteller nicht mehr an Patienten abgeben. Die Gründe sind vielfältig: Wenn neue Rabattverträge beginnen, kommt der neue und zumeist einzige Rabattpartner häufig nicht mit der stark gestiegenen Nachfrage zurecht. Es dauert meist einige Wochen bis die Produktion dem Bedarf angepasst ist. Schwierigkeiten bei der Herstellung oder Verschiebungen aus dem deutschen Arzneimittelmarkt in andere Länder behindern die Arzneimittelversorgung ebenso. Viele Medikamente werden außerhalb der EU hergestellt, das führt zu langen Transportwegen. Geringe Lagerkapazitäten, Just-in-time-Management und die Konzentration auf wenige Zulieferer und Produktionsstätten verschärften das Problem zusätzlich. Ein kleines technisches Problem in einem großen Herstellbetrieb kann so schnell zu langfristigen Lieferausfällen führen. Die Lieferengpässe variieren zwischen wenigen Tagen bis hin zu einem halben Jahr. Die Apothekerkammer Niedersachsen informiert, welche Arzneimittelgruppen besonders betroffen sind und was Patienten beachten sollten.

Wer ist betroffen?

Ein Großteil der Bevölkerung! Nicht nur seltene Arzneimittel für den Krankenhausbedarf sind häufig nicht lieferbar, auch Medikamente gegen Volkskrankheiten fehlen immer öfter. Betroffen sind ganz unterschiedliche Wirkstoffgruppen wie Schilddrüsenhormone, Betablocker, Antidiabetika, Vitamin D, Antibiotika und Schmerzmittel von Ibuprofen bis zu Morphin-Ampullen.

Nicht hamstern – vorausschauend Rezepte holen

Dennoch raten Apotheker davon ab, große Mengen von Arzneimitteln zu Hause einzulagern. Vielmehr ist es sinnvoll, nicht bis zum letzten Tag zu warten, bis man wieder ein Rezept beim Arzt holt und in der Apotheke vorlegt. So hat der Apotheker ausreichend Zeit, das gewünschte Medikament beim Großhandel oder beim Hersteller nachzufragen. Bei dringendem Bedarf wird der Apotheker auf ein wirkstoffgleiches Präparat eines anderen Anbieters zurückgreifen, damit die Therapie des Patienten nicht unterbrochen wird.

Was sich ändern kann

Im Einzelfall kann das Ausweichen auf andere Stärken oder Packungsgrößen eines Arzneimittels notwendig werden. Der Apotheker wird die korrekte Dosierung genau erklären, damit es nicht zu Anwendungsfehlern kommt. Für den Patienten kann sich aufgrund geringerer Stärke oder kleinerer Packungsgröße eine höhere Zuzahlung ergeben. Der Apotheker wird mit dem Patienten besprechen, welche Lösung am besten im individuellen Fall passt.

Apotheker fordern mehr Sicherheit

Für eine Entlastung der Patienten und eine angemessene Arzneimitteltherapiesicherheit, fordern die Apotheker eine stabile Versorgung mit Arzneimitteln. Rabattverträge müssen somit auch vor dem Hintergrund der Lieferengpässe hinterfragt werden. Ebenso sollten mehr Sicherheitspuffer in Planung, Herstellung, Lagerung und Transport von Arzneimitteln eingeplant werden. Das aktuelle Preisdumping führt zu einer gefährlichen Konzentration auf wenige, große Anbieter, deren Konsequenzen am Ende der Patient tragen muss. „Der Patient benötigt in erster Linie eine sichere und sinnvolle Therapie. Er wird nicht gesund, wenn er sich ständig sorgen muss, ob seine Herztabletten überhaupt noch verfügbar sind“, erklärt die Apothekerkammer Niedersachsen. In einem hochentwickelten demokratischen Industriestaat wie Deutschland sind Lieferengpässe nicht zu tolerieren. Aus Kostengründen die Produktion von Wirkstoffen und Fertigarzneimitteln aus der EU in asiatische  Länder zu verlagern, birgt unkalkulierbare Risiken. Es ist Aufgabe von Politik und Wirtschaft, auf europäischer Ebene eine stabile Versorgung mit wichtigen Arzneimitteln sicherzustellen.

Der Apothekerkammer Niedersachsen gehören rund 7.000 Mitglieder an. Der Apotheker ist ein fachlich unabhängiger Heilberufler. Der Gesetzgeber hat den selbstständigen Apothekern die sichere und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln übertragen. Der Beruf erfordert ein vierjähriges Pharmaziestudium an einer Universität und ein praktisches Jahr. Dabei erwirbt der Studierende Kenntnisse in pharmazeutischer Chemie und Biologie, Technologie, Pharmakologie und Toxikologie. Nach drei Staatsexamina erhält er eine Approbation. Nur mit dieser staatlichen Zulassung kann er eine öffentliche Apotheke führen. Der Apotheker fertigt individuelle Rezepturen an, erklärt die korrekte Einnahme von Medikamenten, warnt vor Wechselwirkungen und garantiert diese Versorgung auch im Nacht- und Notdienst.