ELLWANGEN (pm) – Vom 12. September 2015 bis 3. April 2016
ist im Alamannenmuseum die Sonderausstellung „Bernstein – Gold der Germanen:
Das Collier von Trochtelfingen“ zu sehen. Mit der gemeinsamen Ausstellung des
Kultur-, Presse- und Touristikamts Ellwangen und des Fördervereins
Alamannenmuseum Ellwangen e.V. wird ein wertvoller Neuzugang im Museum begrüßt,
denn das kostbare Bernsteincollier einer Alamannin des 4. Jahrhunderts, das
2006 im Egertal bei Trochtelfingen (Ostalbkreis) entdeckt wurde, soll nun
dauerhaft ins Alamannenmuseum nach Ellwangen kommen. Dies ist ein willkommener
Anlass, das Collier im Rahmen einer Sonderausstellung zum Thema Bernstein im
Frühmittelalter zu präsentieren. Dieser in der mediterranen Welt hochgeschätzte
Rohstoff war ein wichtiges Handelsgut der Germanen im Austausch mit den Römern
und wurde vor allem von der Ostsee über die Bernsteinstraße nach Aquileia verhandelt.
Auch bei den Germaninnen der Völkerwanderungszeit galt der Bernstein als
Statussymbol und wurde von ihnen in prachtvollen Ketten sicherlich mit großem
Stolz getragen. In der Merowingerzeit sind die Bernsteinperlen nur noch Teil
meist sehr aufwändiger Halsketten, die vor allem von farbenfrohen und
vielgestaltigen Glasperlen dominiert werden. Als Amulett am Gürtelgehänge von
Frauen oder als magische Schwertperle der Kriegerelite spielten sie aber
weiterhin eine wichtige Rolle.
Ursprung an der Ostsee – Entstehung und Herkunft des
Bernsteins
Vor 55-40 Mio. Jahren herrschte subtropisches bis
tropisches Klima. Es war eine der wärmsten Phasen der Erdgeschichte. Auf
„Fennoscandia“, einem Gebiet, das etwa dem heutigen Skandinavien entsprach,
breiteten sich riesige Urwälder aus. Stürme und Insektenbiss verletzten die
Bäume. Die Nadelbäume sonderten Harz ab, um die Wunden vor Infektionen zu
schützen. Regen spülte das verfestigte Harz in Bäche und Flüsse.
Meeresströmungen – die Ostsee bildete sich vor 13.000 Jahren – und Gletscher
verfrachteten das honigfarbene Gut an die Küsten der Ost- und Nordsee,
insbesondere an die Halbinsel Samland bei Kaliningrad.
Zwischen Mythologie und Naturwissenschaft – Tränen der
Götter versus Kleiderbürste
Magische Vorstellungen und profane Verwendung als
Schmuck- oder Gebrauchsgegenstand sind seit der Antike zwei Facetten des
Bernsteins. In seinem Epos „Metamorphosen“ erzählt der römische Dichter Ovid
(43 v. Chr. bis 17 n. Chr.), dass sich die Heliaden, die Töchter des Sonnengotts,
als sie um ihren Bruder Phaethon trauerten, in Bäume verwandelten und ihre
Tränen in Bernstein erstarrten. Die Tatsache, dass sich Bernstein (griechisch:
elektron) auflädt, wenn er gerieben wird, war bereits dem griechischen
Naturphilosophen Thales von Milet (um 624-547 v. Chr.) geläufig, nach diesem
Phänomen wurde später die Elektrizität benannt. Wohlhabende Griechen befreiten
mit Bernstein ihre Gewänder von Straßenstaub und Flusen.
Die Bernsteinstraße(n) – Handelswege der Bronze-, Eisen-
und Römerzeit<ü>
Schon in der Bronzezeit muss es Handelswege zwischen
Ostsee und Nil gegeben haben, die die Enden der damals bekannten Welt
verbanden. In einem weitgespannten Austauschsystem wurde das Gold der Ostsee
über die Alpen von Händlern zu Fuß, auf Ochsenkarren oder auch zu Pferd
transportiert. Diese wichtigen Handelsrouten bezeichnet man auch als
Bernsteinstraße. Hauptproduktionsstätte für Bernsteinobjekte war in der Eisen-
und Römerzeit Aquileia an der Adria.
Gold der Germanen – Bernsteinschmuck bei Römern und
Germanen
Rohbernstein war eines der wichtigsten Exportgüter der
germanischen Stämme an der Ostseeküste. Eine einfache Bernsteinverarbeitung
lässt sich dort schon im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. nachweisen. Gedrechselte
Perlen, Ringperlen und achterförmige so genannte Berlockperlen finden sich
dagegen erst ab dem 3. Jahrhundert n. Chr., einer Zeit, in der sie als kostbare
Bestandteile von Halsketten auch in die Frauengräber gelangten. Auch in
römischen Werkstätten wurde die Berlockform nach germanischem Geschmack in
dunkelblauem Glas hergestellt.
Das Collier von Trochtelfingen – Bernstein in
Kombination mit blauen Glasperlen
Beim Bau der NATO-Pipeline im Egertal bei
Trochtelfingen, Ostalbkreis, wurden 2006 zwei frühalamannische Bestattungen des
4. bis 5. Jahrhunderts entdeckt. Diese dürften Angehörige einer Oberschicht
repräsentieren. Im Hals- und Brustbereich des Mädchens in Grab 2 aus der 2.
Hälfte des 4. Jahrhunderts befanden sich zahlreiche Glas- und Bernsteinperlen.
Nach aufwändiger Restaurierung ließen sich diese zu einem außergewöhnlichen,
feingliedrigen Collier zusammenfügen, das aus gedrehten Ringperlen aus
Bernstein unterschiedlicher Größe und Stärke sowie zylindrischen, ringförmigen,
polyedrischen und achterförmigen Ösenperlen aus dunkelblauem Glas bestand.
Magischer Stein – Amulettperlen bei Frauen und Männern
Wie die Grabfunde zeigen, kommen Halsketten im 5.
Jahrhundert aus der Mode. Einzelne große Ringperlen werden jetzt in Brust- oder
Gürtelgehängen getragen und fungierten vermutlich als Amulette. In der gleichen
Zeit werden Bernsteine zum ersten Mal auch von Männern verwendet. Als magische
Schwertperle sollten sie offenbar deren Träger schützen. Sie finden sich vor
allem an den besonders wertvollen Schwertern hochrangiger Gefolgschaftskrieger.
Immer eine Frage der Mode – Bernsteinschmuck der
Merowingerzeit
Halsketten gehören im 6. und 7. Jahrhundert zu den
geläufigsten Inventaren von Mädchen- und Frauengräbern. Ihre
Perlenkombinationen sind für die zeitliche Einordnung sehr wichtig und lassen
überregionale Modeströmungen, aber auch lokale Besonderheiten erkennen. Dies
gilt auch für die Verwendung von Bernsteinperlen, auch wenn sie gegenüber den
Glasperlen ihre Dominanz verlieren. Gegen Ende des 6. und zu Beginn des 7.
Jahrhunderts sind die Bernsteinperlen fast völlig aus der Mode gekommen.
Von Ort zu Ort verschieden – Bernsteinschmuck aus
Weingarten und Lauchheim
Die Reihengräberfelder von Weingarten, Kreis Ravensburg,
und Lauchheim „Wasserfurche“, Ostalbkreis, gehören mit 801 und 1.308 Gräbern zu
den größten frühmittelalterlichen Friedhöfen Südwestdeutschlands. Sie wurden
von der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts bis in die Zeit um 700 genutzt und
ermöglichen fundierte Aussagen zur Entwicklung des Bernsteinschmucks. Neben den
großen Modeströmungen lassen sich aber auch lokale Unterschiede feststellen,
bis dann mit dem Ende der Beigabensitte diese Informationsquelle versiegt.
Zu den Leihgebern der Ausstellung zählen die Städtischen
Museen Heilbronn, das Archäologische Landesmuseum Baden-Württemberg in
Konstanz, die Archäologische Staatssammlung München, das Deutsche
Bernsteinmuseum Ribnitz-Damgarten sowie das Alamannenmuseum Weingarten.
Die Ausstellung wird am Freitag, 11. September 2015, um
18 Uhr eröffnet, es sprechen Oberbürgermeister Karl Hilsenbek, die 1.
Vorsitzende des Fördervereins Alamannenmuseum Ellwangen, Dr. Petra Klein, die
stellvertretende Direktorin des Archäologischen Landesmuseums
Baden-Württemberg, Dr. Barbara Theune-Großkopf – sie hält die Einführung in die
Ausstellung –, sowie Museumsleiter Andreas Gut.
Begleitprogramm:
Führungen in der Ausstellung werden immer am ersten
Sonntag im Monat um 15 Uhr sowie nach Voranmeldung angeboten. Am Sonntag, 13.
September 2015 findet anlässlich des Tags des offenen Denkmals von 11-17 Uhr
ein Aktionstag „Bernstein“ mit Handwerkervorführungen und großem Schmuckverkauf
im Alamannenmuseum statt. Valdas Meskenas, aus Litauen stammend und heute auf
der Ostalb ansässig, ist Experte für baltischen Bernstein, führt die
Herstellung und Bearbeitung von Bernsteinschmuck vor und bietet ein
reichhaltiges Schmucksortiment zum Verkauf. Weitere derartige Aktionstage mit Valdas
Meskenas finden am 8. November 2015, am 14. Februar 2016 und am 20. März 2016
von 13-17 Uhr statt. Daneben gibt es am Mittwoch, 25. November 2015 um 19.30
Uhr im Jeningenheim in Ellwangen einen Lichtbildvortrag von Corinna Eberth mit
dem Titel „Die Magie der Farben – neueste Forschungsergebnisse zum
alamannischen Bernstein- und Glasschmuck aus Lauchheim“. Auch der Museumsshop
bietet während der Ausstellungsdauer ein reichhaltiges Sortiment zum Thema
„Bernstein“ an.
Nähere Informationen sind beim Museum unter Tel.
07961/969747 sowie im Internet unter www.alamannenmuseum-ellwangen.de
erhältlich.
Alamannenmuseum Ellwangen
Haller Straße 9
73479 Ellwangen
Telefon +49 7961 969747
Telefax +49 7961 969749
E-Mail alamannenmuseum@ellwangen.de
Internet www.alamannenmuseum-ellwangen.de
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 14-17 Uhr
Samstag, Sonntag 13-17 Uhr
sowie nach Vereinbarung